Mitte 2019 wurde ein „Ideen, Gedanken- und Gefühlebuch“ in der Siedlung herumgereicht, in das jeder seine Meinung über mögliche bauliche Veränderungen hineinschreiben sollte. Initiiert
worden war es von Anwohnern, deren Wunsch, auf eigenem Grundstück in zweiter Reihe zu bauen, abgelehnt worden war.
Bissendorfs Bürgermeister Guido Halfter hatte in Aussicht gestellt, dennoch bauen zu dürfen, wenn es in der Siedlung allgemein gewünscht würde. Um das beurteilen zu können, sollten Wünsche und
Anregungen zu diesem Thema gesammelt und der Gemeinde übermittelt werden, damit die danach entscheiden könne.
Das Thema wurde daraufhin in der Siedlung aufgeregt diskutiert. Einige befürchteten, dass die Natberger Heide komplett zugebaut werden solle, andere, dass ihre Bauwünsche blockiert werden würden, Dritte und Vierte hofften auf den großen Geldsegen.
Aufgrund der Unsicherheit, was die Gemeinde denn nun planen würde, schlossen sich einige Betroffene (wir) zu einer Bürgerinitiative zusammen, informierten die Nachbarn und verfassten einen Offenen Brief an den Gemeinderat, in dem wir um Klärung baten.
Die Antwort der Gemeinde Bissendorf war eine offizielle städtebauliche Voruntersuchung.
Nach dieser Studie gibt es in unserer Siedlung die Möglichkeit, 61 - 72 neue Bauflächen zu schaffen. Dazu würden nicht nur bereits bebaute Grundstücke in 2. Reihe bebaut werden können, sondern auch bisher unbebaute landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Und die gibt es reichlich hier. Denn was die Siedlung auszeichnet, ist ihr ländlicher Charakter.
Natbergen befindet sich ein bisschen zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite die Stadt Osnabrück, auf der anderen die Gemeinde Bissendorf mit ihren jeweiligen Anziehungskräften. In der Mitte herrschte lange Zeit erstaunlich friedliche, fast schon idyllische Ruhe.
So konnte sich auch der Charakter der Siedlung erhalten, einschließlich der typischen großen Gärten, wie sie in den 1950er und 60er Jahren noch üblich waren. Und der kleinteiligen Landwirtschaft. Und nicht zuletzt finden sich zwischen all den Siedlungshäusern noch die alten Kötterhäuser, viele inzwischen liebevoll restauriert.
Im September 2019 wurde die Voruntersuchung durch die Gemeinde Bissendorf auf einer Bürgerinformationsveranstaltung vorgestellt.
Die Pläne wurden sehr kontrovers und teilweise sehr emotional diskutiert. Bürgermeister Halfter betonte, dass er den Wünschen der Anwohner entsprechen wolle und dazu ein "Stimmungsbild" benötige – einer Abstimmung direkt vor Ort verweigerte er sich allerdings. Dafür stellte er eine schriftliche Umfrage in Aussicht, deren Ergebnis er auf einem Plan in roter oder grüner Farbe darstellen wolle. Ziel sei es, einen Bebauungsplan und damit einen eindeutigen rechtlichen Rahmen für das Gebiet festzulegen.
Auf der Sitzung wurde auch der Verlagerungswunsch der Gärnerei Haucap angesprochen. Die Gärtnerei befindet sich innerhalb der Siedlung und möchte ihren Betrieb in einen "Gartencenter" umwandeln, vergrößern und an die Kreisstraße (Lüstringer Str.) verlagern. Es gab Zustimmung, aber auch Kritik an der Verknüpfung der beiden Themen. Es wurde befürchtet, dass die Gärtnerei die Verlagerung und die gleichzeitige Siedlungsentwicklung nutzt, um die dann frei werdenden Betriebsflächen als Bauland zu vermarkten und damit ihre Erweiterungspläne zu finanzieren.
Es gab ebenfalls deutliche Kritik an dem "Gefühlebuch", das zur Meinungsbildung ungeeignet sei, und an der angekündigten Umfrage, bei der nur Eigentümer, nicht aber Anwohner berücksichtigt werden sollten. Außerdem lasse die Form der angekündigten Präsentation mit roter und grüner Markierung Rückschlüsse auf die Meinung der Flächeneigentümer zu, was dem Datenschutz widerspräche.
Bürgermeister Halfter versprach eine korrekte Umfrage. Er betonte, dass niemand negative Folgen befürchten müsse, wenn er oder sie sich für oder gegen eine Bebauung aussprechen würde. Er versprach auch, dass eventuell fällige Straßenausbaubeiträge nur von Neubürgern gezahlt werden müssten, die bisherigen Anlieger würden von der Zahlungspflicht befreit.
Wir sprachen daraufhin alle Parteien im Rat an. Die beiden Bissendorfer Oppositionsparteien Grüne und UWB stellten sich weitgehend auf unsere Seite und mit der SPD wurde mit Unterstützung unseres Ortsvorstehers Boris Lange ein Ortstermin in der Natberger Heide organisiert.
Auf dem gemeinsamen Spaziergang am 29. November 2019 stellten wir den anwesenden SPD-Mitgliedern die Situation vor Ort und unseren Standpunkt vor:
Gegen eine Bebauung in zweiter Reihe auf eigenem Grundstück bestehen keine Einwände. Gegen eine Bebauung der Freiflächen und damit eine Umformung der Siedlung, wie sie als Möglichkeit in der Voruntersuchung vorgestellt worden war, aber sehr große.
Der Bauausschussvorsitzender Hans-Dieter Schleibaum machte daraufhin deutlich, dass die Voruntersuchung ein Instrument sei, um den maximalen Rahmen möglicher Bebauungen auszuloten. Dieses Maximum würden sie jedoch nicht anstreben. Ein Bebauungsplan sei nötig, um Einheitlichkeit in der Frage herzustellen, es ginge nicht darum, die Siedlung zu einem Neubaugebiet umzuformen.
Im weiteren Verlauf des Spaziergangs zeigte sich, dass sich die Position der SPD in weiten Teilen mit unserem Standpunkt deckte. Sowohl Ratsherr Klaus Dierker als auch SPD-Vorsitzender Ulrich Liehr betonten mehrmals, dass sie keine Überbauung der Wiesen und Äcker wollen, sondern sich nur eine Bebauung in zweiter Reihe sowie einen Lückschluss vorstellen können. Unter Lückenschluss seien dabei unbebaute Grundstücke zu verstehen, die zwischen bebauten Grundstücken liegen. Mit einer Lücke sei aber auf keinen Fall eine freistehende Wiese oder Acker in der Natberger Heide gemeint.
Der Spaziergang mit den Ratsmitgliedern der SPD hat gezeigt, dass der direkte Kontakt sowie das persönliche Gespräch zwischen Anwohnern und Kommunalpolitikern sehr hilfreich sein kann, um bestehende Vorurteile und Bedenken auf beiden Seiten abzubauen.
Nachtrag Mai 2022:
Leider hat die SPD nicht gehalten, was wir uns von ihr versprochen hatten. Statt Wiesen und Äcker unbebaut zu lassen und lediglich Baulücken zu schließen und bereits bebauten Grundstücken ein Baurecht in zweiter Reihe zuzugestehen, wie uns auf dem Spaziergang erzählt worden war, stimmte die SPD dem Bebauungsvorschlag B1 zu, der sehr weit über das vereinbarte Schließen von Baulücken hinaus geht.
Auch sind wir ziemlich überrascht, dass die SPD die Umwidmung von landwirtschaftlichen Gärtereiflächen zu Bauland mitträgt, falls die Gärtnerei Haucap an die Lüstringer Straße ziehen sollte. Wir bewerten das als Kungelei im Gemeinderat.
Obwohl wir Rat und Verwaltung der Gemeinde Bissendorf ausdrücklich mehrmals auf Probleme bei einer solchen Umfrage hingewiesen hatten, wurden diese Anregungen nicht berücksichtigt und unsere Kritik abgebügelt.
So wurden nicht alle Anwohner, sondern nur Eigentümer und Erbbauberechtigte befragt, weil angeblich Dritte nicht über fremde Flächen befragt werden sollten. "Übersehen" wurde dabei aber, dass alle Teilnehmer die Frage beantworten sollten, ob sie für eine ausschließliche Bebauung von bereits bebauten Grundstücken in zweiter Reihe sind (Frage 3), was den Umkehrschluss nahelegt, dass diejenigen, die diese Frage NICHT ankreuzten, FÜR eine Bebauung bisher landwirtschaftlich genutzter Freiflächen sind.
Was gleich eine doppelte Beeinflussung ist. Einmal durch die unterstellte, aber nicht abgefragte Befürwortung von Bebauung von Freiflächen, und durch die Auswahl der Befragten. Denn trotz der gegenteiligen Behauptung wurden die Teilnehmer in Frage 3 sehr wohl über fremde Flächen befragt, weil alle Befragten - bis auf jeweils eine Person - nicht Eigentümer dieser Flächen, also Dritte sind.
Die Begrenzung auf Eigentümer und Erbbauberechtigte hat noch einen weiteren, sehr bitteren Aspekt: Im September 2013, bei der Umfrage über die Bebauung des Natberger Felds wurde die gesamten Wahlberechtigten der Gemeinde Bissendorf befragt, auch Einwohner aus entfernten Ortsteilen. Bei der Natberger Heide wurde aber nur ein ausgesuchter Personenkreis befragt. Die Rechtfertigung dafür, es könnten ja nur Eigentümer über eine Bebauung entscheiden, spielte beim Natberger Feld offenkundig keine Rolle. Hier aber sehr wohl, auch wenn sie nicht konsequent durchgehalten wurde. Es drängt sich der Eindruck auf, dass beide Umfragen "ergebnisorientiert" gestaltet wurden.
Die Umfrage ignorierte außerdem Bestimmungen des Datenschutzes, verwendete den Begriff "Nachverdichtung" nicht konsequent bzw. in einem anderen Sinne als bei anderen "Nachverdichtungen" in Bissendorf, war ungenau, teilweise verwirrend formuliert und umschiffte die problematische Aussage des Bürgermeisters, nur Neubürger müssten Straßenausbaubeiträge zahlen.
In der Zwischenzeit war die Umfrage bei der Landesbeauftragten für Datenschutz Niedersachsen zur Prüfung vorgelegt worden. Die Behörde entschied, die Umfrage verstoße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie müsse entweder nachgebessert oder verworfen, dürfe aber jedenfalls so nicht benutzt werden.
Bürgermeister Halfter vermeldete bei den Bauausschusssitzung am 6. Februar und am 7. März 2020, dass die Datenschutzkritik nun dazu führen würde, Bürgerbeteiligungen dieser Art nicht mehr durchführen zu können, denn "rechtlich gebe es keine Möglichkeit, eine solche Umfrage den Vorgaben entsprechend durchzuführen". Da die rechtlichen Datenschutzvorgaben bei Umfragen aber durchaus einhaltbar sind, ist es in unseren Augen schade, diesen Vorwand zu nutzen, um Bürgerdialoge zu verhindern.
In einem umfangreichen Schreiben an alle Ratsmitglieder begründeten wir unsere Position, bekamen aber leider keine Antwort. In einem zweiten Schreiben wiesen wir den Bauausschuss-Vorsitzenden auf Fehler in dem Protokoll der Sitzung am 7. Mai 2020 hin, bekamen aber auf Nachfrage nur eine mündliche, abweisende Antwort.
Wir möchten das nicht unkommentiert lassen:
Statt sein Ohr den Bürgern seiner Gemeinde zu leihen, poltert der Bürgermeister gegen sie an. Und anstatt eine gesetzeskonforme Umfrage durchzuführen, will er lieber gar keine Dialoge mehr führen. Seine Begründung, es wäre unmöglich eine datenschutzkonforme Umfrage durchzuführen, ist ganz einfach falsch. Andere können das. Natürlich geht das. Er will es nur nicht.
Man kann das Kindergarten- oder Gutsherrenart nennen, beides wäre schlimm. Noch schlimmer wäre, wenn die Befragung nicht offen und ehrlich, sondern manipulativ angelegt worden war, um eine Legitimation für Pläne der Verwaltung zu erlangen, die im Widerspruch zu den Vorstellungen der Anwohner stehen. Und wenn die Verärgerung des Bürgermeisters Folge des Scheiterns dieser Strategie wäre.
Auf der Ratssitzung am 9. Juli beschloss der Rat die Aufstellung der Bebauungspläne Nr. 162 "Gartenfachmarkt Natbergen" und Nr. 163 "Natbergen - Auf der Heide".
Die Planungsgrenze des B-Plans Nr. 163 hat sich gegenüber der Voruntersuchung geändert. So wurde die Straße "Am Strothebach" nicht mehr in die Planung einbezogen. Und sowohl die "Betriebsleiterwohnung" der Gärtnerei Haucap (die auf den offiziellen Plänen leider nicht dargestellt wird), ein Teil der Gärtnerei als auch die geplante Gartencenter-Erweiterungsfläche sind nicht mehr Bestandteile der Planung.
Weil die Kartengrundlage von beiden Plänen leider nicht aktuell ist, haben wir hier einmal die tatsächliche Situation dargestellt.
Alle Parteien betonten, dass der Bebauungsplanentwurf nur ein Entwurf sei und dass sich der Plan im Laufe des Verfahrens entwickeln würde. So könnten Baufelder definiert werden, in denen Bebauung erlaubt und außerhalb eben nicht erlaubt sei, sowie Festsetzungen getroffen werden, mit denen Flächen geschützt werden.
Die Fraktionen von UWB und Grüne hatten einen gemeinsamen Planungsvorschlag eingebracht, der diese Möglichkeit von Beginn an berücksichtigt, also Flächen definiert, die für die Landwirtschaft als Freiflächen erhalten werden sollen.
Der SPD-Vorsitzende Ulrich Liehr machte die Position der SPD noch einmal sehr deutlich und erinnerte an den eigentlichen Grund für die Bauanfragen von der Natberger Heide. Es handele sich teilwiese um große Grundstücke, so dass es Sinn machen würde, Bauwünsche auf dem eigenen Grundstück zuzulassen. Gleichzeitig sollte das Ziel der Raumplanung sein, vorhandene Baulücken zu schließen und damit eine maßvolle Nachverdichtung zu erreichen.
Im Nachgang fühlten sich SPD und Ulrich Lier von der örtlichen Presse nicht richtig wiedergegeben, woraufhin sie am 13. Juli 2020 folgendes Statement auf der SPD-Facebook-Seite veröffentlichten:
Der Rat folgte nicht dem Grüne/UWB-Vorschlag, sondern der Beschlussvorlage der Verwaltung, obwohl sie mehrfach fehlerhaft war. Beispielsweise wurde die Durchführung einer Informationsveranstaltung NICHT von der Landesdatenschutzbeauftragten untersagt, wie dort dargestellt wurde. Auch wurde uns darin Fehlinformation vorgeworfen. Wir hätten "... unzutreffend ausgeführt, dass zwischen 61 bis 72 neue Bauflächen entstehen könnten".
Diese Behauptung möchten wir nicht auf uns sitzen lassen. In der "Anwohnerpräsentation" des Planungsbüros Wallenhorst vom 9.9.2019 finden sich folgende Texte:
Zählt man Zahlen jeweils zusammen, ergeben sich 61 bzw. 72 Bauplätze (15 + 6 + 40 = 61 und 20 + 7 + 45 = 72). Unsere Aussage ist also korrekt.
Das soll jetzt nicht nur eine Rechtfertigung sein, sondern die sachliche Feststellung, dass die Gemeinde uns Falschaussagen unterjubelt, aber selber diejenige ist, die falsch spielt.
Wir sind daher ein wenig skeptisch, was die weitere Entwicklung der Pläne betrifft und werden wohl weiterhin ein wachsames Auge darauf haben müssen.
Die weitere Entwicklung können Sie / könnt Ihr im Blog verfolgen. Dort gibt es u. a. einen ausführlichen Bericht über die Bürgerinformationsveranstaltung am 31. Mai 2021 und über unsere Bemühungen, die Kungelei im Rat von der Kommunalaufsicht prüfen zu lassen.
Die Heide lebt!
Wir sind Natberger. Wir wohnen und leben sehr gerne auf der Natberger Heide.
Wir wissen, dass Wohnen und Leben nicht statisch sind, dass dazu Veränderungen nötig sind und - umgekehrt - Veränderungen daraus folgen.
Wir möchten diesen Veränderungen aber nicht hilflos ausgeliefert sein oder tatenlos zusehen, wenn andere darüber bestimmen wollen.
Wir möchten Veränderungen steuern, wenn sie uns direkt betreffen. Wir möchten mitreden, wenn es um unsere Nachbarschaft geht. Wir möchten gemeinsam entscheiden, weil es uns gemeinsam betrifft.
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