Bericht über ein „Gartengespräch“ der IG mit Dieter Rödel, Friedhelm Scheel und Claus Kanke
Die Interessensgemeinschaft Natberger Heide hatte gestern zu einem Treffen „mit Experten“ eingeladen. Bei den Experten handelte es sich um den emeritierten Prof. der Hochschule Osnabrück, Dieter Rödel, und den ehrenamtlichen Naturschützer Friedhelm Scheel aus Westerkappeln. Bürgermeisterkandidat und Bissendorfer Ratsmitglied Claus Kanke (Grüne), selbst ein Anwohner der Natberger Heide, hatte diese Kontakte organisiert und stand ebenfalls zur Verfügung.
Es ging um die geplante Bebauung der Natberger Heide. Dieter Rödel als Botaniker machte klar, dass es sich bei unserer Siedlung um eine historisch gewachsene und weitgehend erhaltene Kulturlandschaft mit teilweise wertvollen, also seltenen Pflanzen handele. Selbst beim kurzen Blick auf die Flächen habe er fünf Rote-Liste-Arten entdeckt, die bei einer Bebauung eigentlich berücksichtigt werden müssten. Aus den Scoping-Unterlagen der Gemeinde Bissendorf habe er aber entnommen, dass lediglich eine sog. „Biotoptypenkartierung“ vorgenommen werden solle, bei der nur der Biotop-Typ, nicht aber das reale Vorkommen von Tieren und Pflanzen erfasst werden solle. Die von ihm entdeckten geschützten Arten würden daher in dem Bauleitverfahren gar nicht erst auftauchen und vermutlich verloren gehen. Er ermunterte uns, mit dem Hinweis auf das Vorkommen dieser Rote-Liste-Arten eine genaue Kartierung einzufordern.
Friedhelm Scheel berichtete, dass sich in unserer Siedlung u.a. Steinkauz-Habitate befinden, die ebenfalls geschützt seien, und dass der Bruterfolg der Störche darauf hinweise, dass es genügend Insekten und Amphibien als Nahrungsgrundlage gebe. Verantwortlich dafür sei die kleinteilige und abwechslungsreiche Landschaft, die weder für die moderne Landwirtschaft, noch für die Wohnsiedlungsnutzung durchoptimiert worden sei, sondern Nischen für alle Bereiche offen halte. Er berichtete auch von starken Defiziten in den Kommunen beim Thema Naturschutz. Der werde oftmals nur sehr stiefmütterlich behandelt. Da Tiere und Pflanzen kein Stimmrecht hätten, müssten die Menschen für sie sprechen. Da gebe es aber sehr, sehr großen Nachholbedarf, selbst bei den zuständigen Behörden.
Claus Kanke wies darauf hin, dass es in seiner Jugend hier noch Schwalben und Kiebitze gegeben habe, und dass das, was einmal verloren gegangen sei, nicht oder nur sehr mühsam wieder zurückzuholen sei. Um zumindest den jetzigen Zustand nachfolgenden Generationen hinterlassen zu können, würde er eine behutsame Bebauung in zweiter Reihe oder die Erneuerung von Bestandsgebäuden befürworten; die von der Gemeinde zurzeit geplante Bebauung von Freiflächen (Variante B1) hingegen ablehnen.
Zum Thema Hochwasserschutz wurde auf die aktuellen Ereignisse in NRW / RLP und das Hochwasser 2010 hier vor Ort hingewiesen und die Frage gestellt, ob die geplante Bebauung hier im Hasetal nicht von Überschwemmungen bedroht sei. Laut Hochwasser-Gefahrenkarte des Landkreis Osnabrück gibt es keine akute Bedrohung. Allerdings stellt sich das Problem der Verstärkung von Starkregenereignissen durch den Klimawandel und durch zunehmende Versiegelung.
Obwohl Bundes- als auch Landesregierungen den Flächenverbrauch reduzieren wollen, werden in Deutschland durchschnittlich 58 Hektar pro Tag verbraucht. Laut IÖR-Monitor wurden allein in Niedersachsen im Durchschnitt der letzten 5 Jahre 14 Hektar pro Tag für Siedlungs- und Verkehrsfläche verbraucht. Mit deutlich steigender Tendenz. Die Beteuerungen, Flächeninanspruchnahme zu verringern, seien daher besonders in Niedersachsen als rhetorische Manöver zu verstehen, die das Problem eher kaschieren als angreifen. Es ist festzuhalten, dass noch nie so viele Flächen versiegelt wurden wie jetzt.
Wenn diese Eingriffe in den Naturhaushalt schon nicht vermieden werden, dann sollten sie zumindest ordentlich ausgeglichen werden. In der Diskussion wurde aber berichtet, dass Ausgleichsmaßnahmen häufig fehlerhaft und unvollständig erfolgten, dass die Kontrolle unzureichend sei, und dass Umfang und Größe der Maßnahmen häufig nicht ausreichend berechnet würden. Konkret wurde das „Osnabrücker Modell“ als besonders „mogelanfällig“ kritisiert.
Doch auch wenn Kompensationsmaßnahmen erfolgreich seien, wäre die bessere und nach dem Bundesnaturschutzgesetz auch eigentlich als vorrangig vorgeschriebene Alternative, Eingriffe in den Naturhaushalt zu vermeiden oder zumindest so gering wie möglich zu halten. In dem Zusammenhang wurde die „Bunt-und-Gesund“-Initiative kritisiert, die sozusagen vorauseilende Kompensation betreiben würde, um damit noch umfangreichere Baumaßnahmen zu rechtfertigen, als jetzt schon geplant seien.
Im Laufe der Diskussion wurde auch die Motivation der ganzen Angelegenheit besprochen. Es gehe in erster Linie um finanzielle Vorteile der Flächeneigentümer. Je größer das Baugebiet, desto größer die Gewinnmöglichkeiten. Die angebliche Notwendigkeit zur Schaffung von (günstigem) Wohnraum sei nur vorgeschoben, denn bei den geplanten Grundstücksgrößen und Wohnhäusern würde es sich um sehr teure Objekte für eine sehr begrenzte Oberschicht handeln. Auch widerspreche es der öffentlich verkündeten Wohnraumpolitik der Gemeinde Bissendorf, Siedlungen abseits der Ortszentren auszubauen, wo weder ÖPNV noch Einkaufs- oder sonstige Infrastrukturen vorhanden seien.
Es wurde auch kritisiert, dass die Gemeinde die beiden Bauleitverfahren zur Siedlungsentwicklung und zur Umsiedlung der Gärtnerei Haucap parallel durchführe, wodurch der Eindruck entstehe, dass die Gärtnerei einen unrechtmäßigen Vorteil erlangt, indem ihre freiwerdenden Flächen zu Bauland umgewidmet werden. Claus Kanke forderte zumindest eine Entsiegelung und zukünftig landwirtschaftliche Nutzung der freiwerdenden Flächen. Schon der Bau der „Betriebsleiterwohnung“ auf freier Fläche außerhalb des Siedlungsgebiets wurde von der Versammlung negativ bewertet. Viele der Anwesenden missbilligten das Vorgehen der Gärtnerei.
Insgesamt ist auf dem Treffen klar geworden, dass die Siedlung „Auf der Heide“ in Natbergen ein wertvoller Naturraum ist, dessen Erhalt durch die Planung der Gemeinde bedroht wird. Die Versammlung befürwortete eine behutsame Bebauung von bereits bebauten Grundstücken, lehnte aber die Planung der Gemeinde Bissendorf als zu viel zu weitgehend ab und bekräftigte, sich dagegen zur Wehr setzen zu wollen.
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